Wie sieht ein Europäer einen Koreaner? Hierzu werde ich heute meine Erlebnisse schildern. Dazu kamen doch schon mehrfach Fragen, sodass ich mit diesem doch sehr groß geratenem Beitrag (sorry Dori 😉 ) für etwas Aufklärung sorgen will. Wer Ironie findet, darf lächeln.
Weiter unten gibt’s dann noch eine bunte Bildersammlung, bestehend aus den wundervollen Aussichten von meinem Apartment aus.
Geräusche
- vor allem bei Männern, hier sind die älteren Semester stark betroffen
- man schmatzt am Tisch, je lauter, desto leckerer
- wer meint, meine Geräuschkulisse nach dem Zähneputzen sei ekelhaft, der möge sich dies um Längen lauter vorstellen und das Ganze dann auf der Straße, in jede Ecke wird hingerotzt, die Koreaner sind sehr reinlich, was ihr Körperinnenleben betrifft
- man niest betont laut, damit es alle wissen, aber man sagt nicht Gesundheit!
- bei Schreibtischarbeiten kaut man beständig Kaugummi oder anderes und gibt das seinen Nachbarn in Form eines Geräuschezoos wieder
- wenn man sich unterhält, dann spricht man so leise, dass es der Nachbar nicht versteht
- oder man schreit sich förmlich an, vor allem in öffentlichen Nahverkehrsmitteln ein aufmunterndes Erlebnis
- mit dem Auto fährt man nicht, man hupt!
- in Restaurants ist eine Klingel am Tisch, damit man nicht zu lange warten muss, alternativ ruft man so laut wie möglich jeogijo!
- wenn’s prickelt, raus damit! Rülpsen in Restaurants gehört zum (naa….) guten Ton! 😉
Körperhaltung
- sofern Menschen auf dich zukommen, versuche erst gar nicht der Stärkere zu sein, Ausweichen ist viel angesagter
- nimmt man etwas an, verwendet man beide Hände, ebenso beim Geben
- lege in Turnschuhe dicke Sohlen ein, damit du größer wirkst (Mann), laufe nie ohne Stöckelschuhe unter 10 cm Absatz (Frau)
- der Kopf ist immer gesenkt, in Richtung Smartphone zu halten, damit du auch nichts beim Chatten verpasst
- bei Kälte, Sonne, Wind, Staub, red dust (Wüstensand aus China) oder einfach so trägt Mann wie Frau eine Gesichtsmaske
- beim Grüßen oder Verabreden einer Person immer leicht nach vorne beugen
- Straßen überquert man hastig, in Busse steigt man schnell ein und verlässt diese mit mindestens dreifacher Geschwindigkeit (rennend)
Angewohnheiten
- man putzt sich immer und überall die Zähne, also draußen, im Labor oder im Laden; wie gesagt, die müssen innen förmlich glänzen
- Baustellen werden mit teils bunten Blinklichtern und massiven Wänden abgesichert, zudem werden Arbeitsplätze geschaffen, in dem eine Person das Baustellenschild in der Hand hält und auf der Straße steht
- andererseits fährt man Motorrad am besten ohne Helm, kurzhosig und im Gegenverkehr bei Nacht ohne Licht
- Ampeln dienen der bunten Beleuchtung von Städten
- Zebrastreifen untermalen überfahrene Personen besonders gut, da die Streifen keine Funktion haben, im Gegenteil, jeder Zebrastreifen ist mit einer Ampel ausgestattet
- als Student an einer internationalen Uni sollte man auf keinem Fall Englisch sprechen, das könnte für Ausländer vllt. noch von Vorteil sein
- je höher der Rang ist, desto mehr darf man sich leisten (siehe Geräusche)
- in Nahverkehrsmitteln steht man nicht auf, wenn eine alte Frau oder ein alter Herr eintritt, schließlich war man ja zuerst auf seinem Platz
- Sonne tötet, ungemein. Deshalb immer Sonnenschirm, Schirmmütze, Tücher und langärmlige Sachen parat halten
- noch bevor man überhaupt den Gedanken fassen kann, sich in Bussen hinsetzen zu wollen, wird einem dies spätestens bei der Anfahrt, die unverzüglich passiert, klargemacht
- Merke: bei hohen Geschwindigkeiten (ab 80 km/h in Innenstädten) kann man Kurven nicht mehr sauber ausfahren, das verkürzt die Fahrtzeit jedoch ungemein
- in Restaurants, Einkaufsläden oder wo auch immer ist man immer sofort bereit, dem Kunden mit einem Lächeln zu helfen, generell gibt es sehr viel Personal, das vor allem trotz Hektik immer sehr freundlich ist (ein kleines Hallo nach Deutschland)
besonders positive Aspekte
- in Mensen, Bars, Restaurants, Unigebäuden etc. bekommt man kostenlos gekühltes Wasser
- nicht nur in Mensen, sondern auch in Schnellrestaurants mit Sitzgelegenheiten gibt es kostenlos Kimchi
- sofern man in Korea ein in Korea gekauftes Handy besitzt, kann man überall kostenlos WLAN nutzen
- Studenten brauchen für ärztliche Behandlungen nichts zahlen
- es gibt keinen Flaschenpfand
- Essen gehen ist günstiger als selber kochen (Schwein gehabt :P)
Und sonst so?
- Mülltrennung erfolgt nach folgenden Gesichtspunkten: Styropor (Essbehälter vom Asiaten), Plasteflaschen, restlicher Plastikmüll, alkoholische Flaschen (Glas), Restglas, Papier, Kleidung, Essensabfälle und ja, wenn dann noch was übrig bleibt: Restmüll. Lediglich letzteres kostet was in Korea, der Rest ist kostenlos
- es gibt kaum Schlüssel, sondern Zahlencodes, lediglich die eigene Haustüre wird mit einem Schlüssel aufgeschlossen
- in Innenräumen gibt es keine Türschlüssel, sondern einen kleinen Stift, den man hineindrückt, um sie von innen zu schließen (dit muss man erstmal wissen, v.a. wenn man einen Mitbewohner hat 😉 )
- alle großen Apartmenthäuser sehen außen wie innen gleich aus
- man kocht und heizt mit Gas, immer und überall
- v.a. in großen Städten wie Daegu haben die Läden auch Sonntag, oder auch nachts geöffnet, hier in Gyeongsan gibt es aber auch sehr viele 24 h-Läden
- ob auf Straßen, in Bussen, an Mülltonnen, Hauseingängen, in Unis, in Fahrstühlen, man wird überall von Kameras überwacht (auf Toiletten gibt’s zwar auch diese Knubbel an der Decke, aber sind bestimmt nur die Bewegungsmelder, die automatisch das Licht angehen lassen)
- dafür habe ich bisher weder Polizei noch Krankenwagen gesehen
- behindert will ich hier trotzdem nicht sein, alle Busse etc. haben Stufen
- kleine Hunde legt man in Terrarien, stellt sie an die Hauptstraße ans Fenster und legt zur Verkaufssteigerung niedliche Hello Kitty-Accessoires mit hinein
- fährt man mit dem Bus eine Haltestelle oder 20 (je nach Angebot), bezahlt man das Gleiche (1100 Won = 70 Cent). Ich bin von Gyeongsan nach Daegu mit dem Bus in über einer Stunde und 18 km für genau diesen Betrag gefahren!
- eine Taxifahrt bei geschätzten 90 km/h innerorts kostete nach 20 min Fahrtzeit 3,50 Eur
- aber für 6 große Äpfel habe ich 4,50 Euro gelöhnt…
- wahrscheinlich bin ich hier der einzige Deutsche an der Uni, selbst der Anteil der Ausländer ist relativ gering, scheint aber vorrangig aus Pakistan oder Indien zu kommen
- da der Unterricht an den Unis bis nach 22 Uhr stattfinden kann, trifft man auch zur Nachtstunde noch eine Menge Studenten; am Wochenende sieht es nicht anders aus, v.a. in Bibliotheken (die Haupt-Bibo hier besteht aus 22 Stockwerken..)
Natürlich meine ich nicht „die“ Koreaner, sondern nur einige, aber die fallen nun mal genauso auf wie der gemeine Hallenser mit der Bierpulle. Yuri z.B. hasst es, wenn selbst junge Erwachsene laut herumrotzen. Aber wie gesagt, dies trifft v.a. auf die Männer zu.
So, was haut euch besonders aus den Socken, was beeindruckt euch am meisten? Ich freue mich immer über (deutsche!) Kommentare. Kamsahamnida! Viele Grüße nach Deutschland!
(Nachdem man ein Bild angeklickt hat und sich ein Fenster öffnet, kann man auch mit den Pfeiltasten hin- und herblättern.)
English:
For me as a European, Korean behavior is really interesting. I summarized a lot of sounds and habits and also specials which differ from German one. Anyway, I won’t translate everyone, but I’ll emphasize only one aspect: Especially male people produce a lot of noises, even when they’re at restaurant. When I was in Germany, I read some travel guides in which Korean people are described as Asian’s Italians. Maybe I’ll agree to it 😉 .
Sehr schöne Aufnahmen und interessante Informationen.
ich nehme an, wenn man die Punkte “lieber ausweichen” mit den Punkten “Zebrastreifen und Ampeln sind Empfehlungen” und “alle gucken immer auf ihre Smartphones” kombiniert, kommen jede Menge blaue Flecken dabei raus?
irgendwie mag ich auch die Idee mit der Klingel am Tisch, obwohl ich mir da wie ein Idiot vorkommen würde 🙂
Nee, ehrlich gesagt funktioniert das. Ameisenstaat in groß 😉 .
Übrigens, ich muss einen Aspekt noch hinzufügen: Wenn Krankenwagen (jetzt doch mal gesehen) mit Sirenen fahren, macht keiner Platz. Die müssen an Kreuzungen warten, bis es grün ist, da fährt keiner mal beseite. Die sind hier echt arrogant, was Autofahren anbelangt.
Sehr lustig geschrieben, macht jeden Tag Spass.
Tolle Bilder !
“behindert will ich hier trotzdem nicht sein, alle Busse etc. haben Stufen”
haha, behindert will ich nirgendwo sein. 😉
Interessant und informierend.
“Essen gehen ist günstiger als selber kochen”
FTW!!
Da hast du ja in der kurzen Zeit schon viele Eindrücke eingefangen.
Das Essen, die Menschen und die Kultur….
Also unterscheiden sich die Kulturen wohl sehr stark. Ich bin mal gespannt, ob du dir am Ende in der Ferne die eine oder andere Eigenart annimmst. Oder bleibst du bei den Taschentüchern? 😉
Außerdem möchte ich mal wissen, was für super Import-Bio-Äpfel du dir geholt hast. Ich finde es schon krass, dass ein Taxifahrer so viel für deine drei Äpfel fahren muss (Benzin ist da ja noch nicht eingerechnet!)
Ich hab mir mal die vielen Stadtbilder angeschaut….Kann es sein, dass man ohne Auto dort besser dran ist? Bei den Bus-/ Taxikosten und den ellenlangen Parkschlangen könnte es doch sein.
LG CS
Ich bleibe unbedingt bei den Taschentüchern, anders geht’s gar nicht. Schon krass, wie sehr ich jetzt immer darauf achte, genug davon mitzuhaben, wenn’s zum Essen geht 😉 .
Ich glaube auch, dass es ohne Auto in der Stadt mehr Spaß macht. Die Busse haben keinen Fahrplan wie bei uns, sondern die fahren unterschiedlich, die meisten Linien kommen so aller 10 min. Da es aber in Daegu selbst schon 90 Buslinien gibt (!), fährt immer was.
Also ich musst eben echt viel lachen. Mir drängt sich jetzt nur die Frage auf, was wohl ein Koreaner über uns Deutsche schreiben würde. Wäre bestimmt auch mal interessant.
Aber schön zu lesen, dass es dir gefällt und du anscheinend deinen Spaß hast 🙂
Ganz liebe Grüße
Herrlich!
Viele Dinge erinnern mich natürlich sehr an meine Erlebnisse in Taiwan.
Aber was mir nie aufgefallen ist, ist dass die was Ihren Körperinnenraum angeht wohl doch sooo reinlich sind – interessant und irgendwie verstörend zugleich 🙂
Ganz liebe Grüße aus dem Sauerland und Frohe Ostern!
Merci und frohe Ostern!